Erinnerungskultur
Vergessen heißt verdrängen – Erinnern heißt verstehen.
Mit dieser Website wird erinnert. Wir erinnern an Zeiten, die sich vor weniger als hundert Jahren abspielten. Diese Jahre waren nicht nur von Krieg und Zerstörung geprägt, sondern auch von Morden und Qualen gegenüber unschuldigen Menschen.
Wir wollen durch unsere Arbeit auf diese Zeit hinweisen und an sie erinnern. Dafür haben wir die Biographie des ehemaligen Lagerarztes Eduard Wirths aufgearbeitet und hier veröffentlicht.
Die Erinnerungsarbeit an das nationalsozialistische Regime ist ein zentraler Bestandteil der deutschen Erinnerungskultur. Sie dient dazu, die Verbrechen des Nationalsozialismus nicht zu vergessen und zukünftige Generationen für die Gefahren von Rassismus, Antisemitismus und totalitären Ideologien zu sensibilisieren.
Ziel ist nicht nur das Gedenken, sondern auch das Lernen aus der Geschichte, um Demokratie, Menschenrechte und Toleranz zu stärken.
Erinnerungsarbeit bedeutet für uns, Verantwortung zu übernehmen – für die Vergangenheit und für eine bessere Zukunft.
„Ihr seid nicht schuld an dem, was war, aber verantwortlich dafür, dass es nicht wieder geschieht.“
- Max Mannheimer (Überlebender des Holocaust)
Warum müssen wir über Menschen wie Eduard Wirths reden?
Die Verbrechen des Nationalsozialismus zählen zweifellos zu den dunkelsten Kapiteln der Geschichte, doch wird häufig übersehen, wie nah uns diese Ereignisse tatsächlich sind. Diese Geschichte spielte sich nicht nur an bekannten Orten wie Berlin oder Auschwitz ab, sondern auch in Städten wie Jena und Weimar. In Jena etwa wurde dem späteren Lagerarzt von Auschwitz, Eduard Wirths, der Grundstein für seine Karriere gelegt. Unser Anliegen ist es, nicht allein auf Eduard Wirths hinzuweisen, sondern insbesondere auf die Menschen, die er selektierte, zwangssterilisierte und ermordete.
Die regionale Verknüpfung solcher Biografien ist für die historisch-politische Bildungsarbeit von herausragender Bedeutung. Sie verdeutlicht eindrücklich, dass Karrieren von Tätern des Nationalsozialismus häufig in alltäglichen und vertrauten Kontexten ihren Anfang nahmen – wie beispielsweise an der Frauenklinik in Jena. Durch die Sichtbarmachung solcher lokalen Bezüge kann historische Bildung greifbarer gestaltet werden, wodurch das Bewusstsein für individuelle Verantwortung nachhaltig geschärft wird.
Was kannst du der Erinnerung in Thüringen beitragen?
Die Verantwortung für das Erinnern liegt heute bei uns allen. Nicht nur bei Historikern und Historikerinnen oder Gedenkstätten, sondern bei jedem und jeder Einzelnen. Für Erinnerung benötigt es nicht unbedingt festes Wissen – sie beginnt bereits mit einem bewussten Hinsehen. Mit dem Lesen eines Namens auf einem Stolperstein. Mit der Frage, wer die Anne war, nach der deine Schule benannt ist. Oder auch mit einem Gespräch in der Familie: „Wie war das eigentlich bei uns damals?“
Erinnerung bedeutet nicht, in der Vergangenheit zu leben, sondern aus ihr zu lernen. Gerade in einer Zeit, in der antisemitische, rassistische und menschenfeindliche Gedanken wieder lauter werden, braucht es Menschen, die sich erinnern, die Fragen stellen und die Haltung zeigen. Menschen wie dich.
Und du kannst ganz einfach damit anfangen: geh zu einer Ausstellung, nimm an einer Gedenkveranstaltung teil, lies die Biografie hinter einem Stolperstein, höre zu, wenn Zeitzeugen und Zeitzeuginnen sprechen, teile Beiträge wie diesen oder sprich mit anderen darüber, was dich bewegt. Jeder Schritt zählt.
Verantwortung zu übernehmen heißt hinschauen, zuhören, erinnern – für die, die nicht mehr sprechen können und für die, die nach uns kommen.
Erinnerungskultur, Erinnerungspolitik oder Erinnerungsarbeit?
Zum Thema Erinnerungsarbeit haben wir mit dem wissenschaftlichen Mitarbeiter der Bauhaus Uni Weimar Jannik Noeske ein Gespräch geführt. Er arbeitet seit einigen Jahren in dem Feld der Erinnerungspolitik und kulturellen Stadtentwicklung.
Im Laufe unseres Gespräches differenziert Noeske zwischen den Begriffen Erinnerungskultur, - politik und - arbeit. Er hebt hervor, dass der Ausdruck Erinnerungskultur eine einheitliche und nicht pluralistisch gedachte Wirkung erzielt. Der dadurch feste Begriff könne dafür sorgen, dass sich der Gedanke einer gemeinsamen Art des Erinnerns bildet.
Noeske empfiehlt bei Verwendung des Wortes Erinnerungskultur von mehreren Kulturen zu sprechen, damit die verschiedenen Erinnerungskollektive hervorgehoben werden können.
Neben dem Begriff "Erinnerungskultur" fielen auch die, der "Erinnerungspolitik" und "Erinnerungsarbeit", welche laut Noeske auf das "Projekt des Erinnerns" hinweisen, welche immer wieder Engangement, Kraft und Haltung braucht.
"Erinnerungarbeit zeigt, wie das Erinnern nicht einfach nur da ist [...] sondern dass wir uns für das Erinnern stark machen und uns dafür einsetzen müssen."
-Jannik Noeske
Wichtige Gedenk- und Jahrestage
27. Januar
"Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus"
(Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz)
11. April
"Tag der Befreiung Buchenwalds"
8. Mai
"Ende des zweiten Weltkriegs"
(Jahrestag der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht)
2. August
"Internationaler Tag des Gedenkens an den Genozid an Sinti und Roma"
23. August
"Europäischer Gedenktag an die Opfer von Stalinismus und Nazismus"
9. November
"Novemberpogrome"
(Pogrome gegen die jüdische Bevölkerung 1938)
10. Dezember
"Tag der Menschenrechte"
Bild: https://www.mz.de/lokal/naumburg/klang-der-stolpersteine-wie-ein-projekt-von-jena-nach-naumburg-findet-3716277