Eduard Wirths - Sein Leben
Herkunft und familiäre Umgebung
Eduard Wirths kam in Geroldshausen bei Würzburg am 4. September 1909 zur Welt. Er stammte aus einer reichen Unternehmerfamilie, die ihm eine gute Ausbildung schenkte. In seiner Kindheit bezeichneten ihn Freunde und Familienangehörige als diszipliniert, gewissenhaft und gehorsam. Gleichzeitig wurde er als einfühlsam und sanft in der Interaktion mit anderen angesehen, was auf eine vielschichtige Persönlichkeit hinweist.
Studium und politische Ausrichtung
Wirths nahm im Sommersemester 1930 an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg ein Medizinstudium auf und absolvierte dieses im Januar 1935 mit Erfolg. 1936 erschien sein Doktortitel „Der heutige Stand der Pseudarthrosen“. Am 1. Mai 1933 schloss er sich der NSDAP (Mitgliedsnummer 3.139.549) und später auch der SA an. Im Oktober 1934 trat er in die SS ein (SS-Nummer 311.594). Wirths schrieb in seiner Rechtfertigungsschrift, die er in britischer Kriegsgefangenschaft verfasste, dass ihn praktischere Überlegungen dazu veranlasst hätten, in die Partei und die SA einzutreten.
Es gab über 1.000 Konzentrationslager und Außenlager im nationalsozialistischen Deutschland und den besetzten Gebieten.
Lebenslauf
Zeit in Weimar
Eduard Wirths absolvierte nach seinem Doktortitel 1936 ein dreimonatiges Praktikum bei Karl Astel, dem Leiter des Thüringer Landesamtes für Rassewesen. In seiner Bewerbung betonte er sein starkes Interesse an Erbgesundheit und Rassenhygiene, was den Beginn seiner aktiven Teilnahme an der Nationalsozialistischen Rassenpolitik markierte. Während seines Praktikums 1936 war Wirths zudem im Thüringer Landesamt für Rassewesen aktiv. Dieses Amt, unter der Leitung von Karl Astel, erhielt wissenschaftliche Unterstützung von der Universität Jena und war für die systematische Erfassung und Selektion der Bevölkerung in Thüringen verantwortlich.

Bild: https://de.wikipedia.org/wiki/Landesamt_f%C3%BCr_Rassenwesen_%28Th%C3%BCringen%29
Zeit in Jena
Von März 1937 bis September 1938 arbeitete Wirths als Assistenzarzt an der Frauenklinik der Universität Jena. In dieser Zeit war er nicht nur in der medizinischen Praxis tätig, sondern engagierte sich auch in der Gauführung des Nationalsozialistischen Deutschen Dozentenbundes in Thüringen. Neuere Forschungen legen nahe, dass er in Jena in Zwangssterilisierungen verwickelt war, was durch eine Eintragung in den Dokumenten der Frauenklinik belegt wird, in der sein Name zusammen mit dem Kürzel "St" für Sterilisation auftaucht. Dies deutet darauf hin, dass Wirths bereits vor seiner späteren Tätigkeit in Konzentrationslagern aktiv in die Umsetzung der nationalsozialistischen Rassenhygiene eingebunden war.

Bild: http://www.zeno.org/Ansichtskarten/M/Jena,+Th%C3%BCringen/Neue+Frauenklinik
Zeit in Auschwitz
1942 als kriegsuntauglich erklärt, begann Eduard Wirths im KZ-System zu arbeiten und wurde Lagerarzt in Dachau, Neuengamme und ab September 1942 Standortarzt in Auschwitz. Dort erreichte seine Karriere ihren Höhepunkt. Er war Vorgesetzter von Ärzten wie Josef Mengele und Horst Fischer. Wirths überwachte medizinisch den Lagerkomplex, bekämpfte Seuchen wie Typhus, die Häftlinge und SS-Personal bedrohten, und ordnete Maßnahmen wie Desinfektion und Impfungen an, um die Arbeitsfähigkeit zu sichern. Er leitete Selektionen, bei denen Häftlinge zur Zwangsarbeit oder in die Gaskammern geschickt wurden. Zudem war er an medizinischen Experimenten beteiligt, darunter gynäkologische Untersuchungen und Fleckfieber-Tests.

Bild: https://www.deutschlandfunk.de/jugoslawien-nachfolgestaaten-renovieren-teil-von-auschwitz-birkenau-100.html
Nachkriegszeit
Nach dem Verlassen von Auschwitz wurde Eduard Wirths noch in weiteren Konzentrationslagern als Lagerarzt eingesetzt, darunter KZ Mittelbau-Dora und Bergen-Belsen. Nach Kriegsende tauchte er bei seinem Bruder in Hamburg unter. Im Juli 1945 wurde er von den Briten festgenommen und im Internierungslager Neuengamme inhaftiert. Von dort wurde er in das Internierungslager Staumühle überstellt. Vor seiner Vernehmung durch die britischen Behörden versuchte Wirths in der Nacht vom 17. auf den 18. September 1945, sich durch Erhängen das Leben zu nehmen. Sein Suizidversuch wurde jedoch bemerkt, was dazu führte, dass Wirths schwerverletzt überlebte.
Am 20. September 1945 schließlich, starb er an den Verletzungen seines Suizidversuchs. Direkt vor seinem Tod verfasste Wirths eine schriftliche Rechtfertigung seiner Taten in Auschwitz, in der er unter anderem schrieb:
"Ich bemühte mich, meinem christlichen und ärztlichen Gewissen entsprechend, den kranken Häftlingen zu helfen.".
Im Zweiten Weltkrieg wurden insgesamt über 60 Millionen Menschen ermordet. In der Sowjetunion gab es die meisten Opfer, dort starben 27 Millionen Menschen. Die Deutschen ermordeten über sechs Millionen Juden. Verfolgung und Mord trafen ebenfalls Sinti und Roma sowie andere Minderheiten.
Warum haben wir die Biografie von Eduard Wirths gewählt?
Entscheidungspunkt für unsere Arbeit
Unbekanntheit & fehlende Informationen
Eduard Wirths ist ein Beispiel für einen sogenannten „unsichtbaren Täter“ des Nationalsozialismus, nicht nur aufgrund seiner Rolle, sondern auch aufgrund fehlender Details zu seiner Person und seinen konkreten Aktivitäten. Im Gegensatz zu bekannten Figuren wie Josef Mengele ist über Wirths kaum etwas bekannt, obwohl er als Standortarzt in Auschwitz eine zentrale Rolle in der medizinischen Organisation spielte. Diese geringe Quellenlage macht ihn zu einem besonders interessanten Untersuchungsgegenstand, da sie exemplarisch zeigt, wie viele Täter des NS-Systems im Hintergrund wirkten und dennoch maßgeblich zur Durchführung der Verbrechen beitrugen – ohne dabei selbst stark im Fokus der Öffentlichkeit oder der Nachkriegsjustiz zu stehen.
Diese fehlende Informationslage machte ihn als Person für uns sehr interessant und wir wollten der Ungewissheit entgegenwirken.
Lokaler Bezug
Wirths studierte und promovierte an der Universität Jena in Medizin – also genau in dem Ort, an welchen wir heute zur Schule gehen. Zudem liegt mit Weimar ein weiterer geschichtsträchtiger Ort in unmittelbarer Nähe, nur wenige Kilometer vom Konzentrationslager Buchenwald entfernt. Gerade durch diese geografische Nähe wird das Thema für uns greifbarer, da wir viele der Orte und Gebäude kennen, an denen sich Wirths aufgehalten hat oder die im historischen Zusammenhang stehen. Außerdem erleichterte dieser lokale Bezug unsere Recherche, da wir auf regionale Archive zugreifen konnten und Besuche vor Ort – etwa in Jena oder in der Gedenkstätte Buchenwald – problemlos möglich waren.
Aktuelle Relevanz
In einer Zeit, in der demokratische Werte und Menschenrechte weltweit unter Druck geraten, ist es wichtig, sich mit den Mechanismen historischer Verbrechen auseinanderzusetzen. Es macht deutlich, wie wichtig ethisches Handeln, Zivilcourage und Verantwortung gerade auch in akademischen und beruflichen Kontexten sind. Die Geschichte dient damit nicht nur dem Gedenken, sondern auch der Mahnung für die Gegenwart. Unser Anliegen war genau das, wir wollten Geschichtsbewuustsein fördern und dem Vergessen entgegen wirken.
Persönliche Motivation & Interesse
Ein wichtiger Grund für unsere Themenwahl war auch unser persönliches Interesse an der Geschichte des Nationalsozialismus und insbesondere daran, wie einzelne Personen Teil eines so grausamen Systems werden konnten. Auch im Zusammenhang mit ethischen Punkten, eröffneten sich uns viele Fragen: Wo liegen die Grenzen der Verantwortung? Was können wir heute aus dem Handeln (oder Nicht-Handeln) von Menschen wie Wirths lernen? Wie kann man medizinische Forschung ethisch absichern?
Gerade diese moralischen und gesellschaftlichen Aspekte haben unser Interesse geweckt und uns motiviert, tiefer in die Thematik einzutauchen. Uns war wichtig, nicht nur historische Fakten zu sammeln, sondern auch zu verstehen, wie solche Entwicklungen möglich waren – um daraus für unsere Gegenwart und Zukunft zu lernen.